Fast 10 000 Fußballspiele fanden am vergangenen Wochenende in ganz Bayern statt. Dr. Rainer Koch hatte also eine riesige Auswahl. Der Präsident des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV) entschied sich letztlich für einen Besuch in Weißenburg, genauer gesagt für das Bezirksliga-Duell des TSV 1860 gegen den ASV Zirndorf. Das hatte in erster Linie logistische Gründe, denn die BFV-Spitze weilte am Wochenende zur Klausurtagung in Emsing und da war am Samstag das Topspiel in Weißenburg die nächst gelegene und zugleich attraktivste Option. Das Match stand für den Verbandschef allerdings nicht im Vordergrund. Ihm ging es vielmehr darum, sich vor Ort ein Bild zu verschaffen, wie es nach dem Re-Start unter Corona-Bedingungen läuft – gerade in einem Verein wie dem TSV 1860, der 16 Teams im Punkterennen hat und bei dem ein DFB-Stützpunkt angesiedelt ist. Koch suchte den Erfahrungsaustausch mit den Vereinsverantwortlichen und fand es „beeindruckend wie hier mit dem Thema umgegangen wird“. Hier gehts zum Artikel des BFV.


Das Tief „Wicca“ hatte die TSV-Pläne zwar noch mal durcheinandergewirbelt und zwei Zelte, die zur Einlasskontrolle gedacht waren, einknicken lassen, sonst lief es trotz Sturmböen und Kälteeinbruch aber ziemlich reibungslos: Desinfektionsmittel und Registrierungslisten am kanalisierten Eingang, Trassierbänder am Weg zu Sportheim und Umkleidekabinen, jede zweite Dusche gesperrt, gesonderte Zonen um die Ersatzbänke und regelmäßige Durchsagen von Platzsprecherin Alexandra Wagner-Hamm: Abstände bitte einhalten, notfalls Masken aufsetzen.
Rund ein Dutzend Helferinnen und Helfer hatte der TSV 1860 im Einsatz, um das Match unter Corona-Bedingungen über die Bühne zu bringen. Ein deutlich höherer Aufwand als vor der Krise. All das ist auch dem Präsidenten bewusst. Für ihn gibt es aber keine Alternative: „Wir mussten uns entscheiden: entweder mit dem Virus leben oder zwei Jahre nicht mehr Fußballspielen.“
Rainer Koch traf sich beim ersten Besuch an der Vereins-Basis nach dem Re-Start in Weißenburg zunächst mit dem TSV-Vorsitzenden Thomas Strobl und den beiden Fußball-Spartenleitern Jonas Herter und Roland Mayer. Die ungezwungene Runde, der auch der Fußball-Bezirksvorsitzende Dieter Habermann beiwohnte, ging fließend in ein Mediengespräch über. Dann schaute sich Koch das Spiel an, wobei er nicht nur den Platz im Blick, sondern vielfach auch das Handy am Ohr hatte. In der Halbzeit des Bezirksliga-Spiels gab es zusätzlich noch ein Interview, das der Weißenburger Journalist Bastian Mühling mit dem Präsidenten führte. So konnten auch alle Zuschauer viele von Kochs Aussagen live hören.
Zum Beispiel: „Ich bin die wohl best-getestete Person hier am Platz.“ Durch seine Stippvisite beim Supercup in Budapest war der BFV-Chef in den letzten 72 Stunden gleich zweimal auf das Coronavirus getestet worden. Oder: „Wir müssen dafür kämpfen, dass wir unsere Sportart ausüben können.“
„Wahnsinnig gut funktioniert“
Dass es trotz kurzem Vorlauf bereits am ersten Wochenende gelungen war, rund 9000 Amateurspiele mit 200 000 Buben und Mädchen, Männern und Frauen in Bayern durchzuführen, wertete Koch als „großartige Leistung“. Ihn mache es glücklich, so viele engagierte Menschen anzutreffen. „Es hat wahnsinnig gut funktioniert und auch die 20 Prozent, die vorerst nicht weiterspielen wollten, haben mitgezogen“. Es sei sehr beachtlich, mit welchem Enthusiasmus die bayerische Fußballfamilie das Ganze angehe – auch in Weißenburg.


Trotz dieser Begeisterung sieht auch der BFV-Präsident, dass die Infektionszahlen steigen. Von daher müsse man in nächster Zeit auch „bereit sein, Spiele abzusagen und nicht auf Teufel komm’ raus durchzuziehen“. Er mache sich natürlich Sorgen. „Ich hoffe aber sehr, dass kein erneuter Total-Lockdown kommt. Wir müssen einen verantwortungsbewussten Weg finden, um mit dem Virus zu leben.“
Die ganze Situation rund um Corona und Fußball sieht Rainer Koch weiterhin „als große Herausforderung“. Von der schwierigsten Situation seiner inzwischen 16-jährigen Amtszeit an der BFV-Spitze will er trotz mancher Kritik und riesigem Aufwand (zum Beispiel mit einer Vielzahl an Videokonferenzen) allerdings nicht sprechen, denn: „Es gab schon viele schwierige Zeiten, aber dafür ist man ja auch gewählt.“
Sein oberstes Ziel war und ist es, „die Vereine in der Krise stabil zu halten“. Als positives Zeichen wertete er, dass es in Bayern 50 Prozent weniger Spielerwechsel gab als sonst. Der TSV 1860 etwa hat in der jüngsten Wechselperiode keinen einzigen Spieler verloren. Alle Trainer hätten sich solidarisch gezeigt und von März bis August freiwillig und ohne Aufhebens auf ihre Aufwandsentschädigungen verzichtet, berichtete Vorstand Strobl dem Präsidenten.
Was Strobl ebenfalls betonte: „Dazu hat uns die staatliche Verdoppelung der Übungsleiter-Pauschalen sehr geholfen. Der Verein ist gesund, und der Fußball hat allen anderen Sportarten geholfen, weil sich der BFV bei der Politik so exponiert für die Wiederaufnahme des Spielbetriebs eingesetzt hat. Davon profitieren jetzt alle, Sportvereine haben wieder eine echte Perspektive, nähern sich der Normalität, auch wenn die noch weit weg ist. Das wissen wir!“


Auch die Fußballer merken, dass es derzeit nicht leicht ist. „Alles komplett eins zu eins umzusetzen, ist fast nicht möglich“, sagte Roland Mayer in Bezug auf das umfangreiche Hygienekonzept. „Wenn man sich auf die nötigsten Sachen beschränkt, ist es aber schon möglich, die Auflagen zu erfüllen und die Gesundheit aller bestmöglich zu schützen.“
Den BFV-Chef haben die Weißenburger offenbar überzeugt: „Der Fußball kann es auf seine Weise schaffen, das Virus zu besiegen: indem wir Fußballspiele wie dieses heute hier in Weißenburg mit Vorsicht, Bedacht und gegenseitiger Rücksichtnahme organisieren und vorbildlich über die Bühne bringen.“ Klar ist für Rainer Koch aber auch: „Ohne das unglaubliche Engagement der Vereine geht es nicht.“