Sechziger und TSVler – das schien einfach nicht zusammenzupassen! Und im Fußball schon gar nicht. Vor 15 oder 20 Jahren konnte man sich kaum vorstellen, dass beide Traditionsabteilungen irgendwann zueinander finden würden. Zu groß schien die über Jahrzehnte gewachsene Rivalität. Doch die Geschichte des Weißenburger Sports belehrte eines Besseren. Sechziger und TSVler setzten gerade im Fußball, wo es bekanntlich den umfangreichsten Spielbetrieb gibt, die Fusion im Jahre 1998 sehr schnell um. Nach dem Zusammenschluss der beiden Vereine ging es mit der „schönsten Nebensache“ der Welt unter einem größeren Dach nahtlos weiter. Allerdings hatte man sich vor zwölf Jahren im Fußball-Herrenbereich sicherlich etwas mehr von der Fusion erhofft. Vielleicht gemeinsam wieder den Sprung in die Landesliga schaffen, wo der frühere TSV schon mehrere Jahre gespielt hatte. Doch das ist bis heute nicht gelungen. Immerhin hat es wieder längere Zeit für die Bezirksoberliga gereicht.

Derzeit spielt der TSV 1860 mit seiner ersten Herrenmannschaft in der Bezirksliga Süd und ist nach wie vor das Aushängeschild des Jura Südens. Tendenz: es geht mit vielen jungen Leuten wieder aufwärts. Der Weißenburger Jugendstil wird in der Region vielerorts gelobt. Die Basis liegt in der hervorragenden Jugendarbeit. Von der U7 bis zur U19 sind alle Jahrgänge besetzt. Teilweise spielen in manchen Altersklassen drei Jugendmannschaften des TSV 1860. Von dieser Jugendarbeit profitieren nicht nur die Vereine in der Umgebung – die immer wieder Spieler und (Spieler)Trainer aus der Weißenburger Fußballschule bekommen, sondern auch Proficlubs wie der 1. FC Nürnberg und die SpVgg Greuther Fürth, die zuletzt auffallend häufig Talente aus den Reihen des TSV 1860 in ihre Juniorenteams holten. Das ist der aktuelle Stand.

Anlässlich des 150-jährigen Vereinsjubiläums gilt es freilich auch zurückzuschauen: Die ersten nachweislichen Fußballspiele in Weißenburg gab es schon in der Anfangszeit des vergangenen Jahrhunderts. Durch eine Anzeige im Weißenburger Tagblatt ist beispielsweise belegt, dass am 26. Januar 1919 ein „Wettspiel“ zwischen dem 1. Fußballclub Nürnberg und der „Fußballabteilung des 2. Bayerischen Fußartillerie-Regiments Weißenburg“ auf der Festwiese stattfindet. Am 6. Juli 1919 ist von einem „Propagandaspiel“ zwischen der 1. Ligamannschaft Gunzenhausen gegen den Fußballclub Weißenburg die Rede. Auch wenn es außer Zeitungsausschnitten insgesamt relativ wenige Aufzeichnungen aus den Anfangsjahren gibt, so steht doch fest, dass schon vor dem Zweiten Weltkrieg in Weißenburg in mehreren Vereinen (Turner, TSV, FC, SV Eintracht) offenbar leidenschaftlich dem Fußball gefrönt wurde. Aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ist vor allem ein legendäres Gastspiel des 1. FC Nürnberg auf dem damaligen Turnvereinsplatz an der Jahnstraße überliefert: über 3000 Zuschauer strömten seinerzeit auf das Gelände, um den mehrfachen Deutschen Meister zu sehen: „Es war ein triumphaler Tag des Königs Fußball“, stand darüber im Weißenburger Tagblatt zu lesen.

Das alles liegt schon lange zurück. Weitaus mehr lässt sich naturgemäß über die jüngere Vergangenheit erzählen. Was dabei besonders auffällt: der Weißenburger Fußball war in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder mit vielen namhaften Spielern und Trainern verbunden. Exemplarisch seien hier die leider viel zu früh verstorbenen Alexander Schneider, Jürgen Hohenberger oder auch Hans Lochner genannt. Man denkt auch an viele andere legendären Fußballer, die dem beliebtesten Ballsport in der Stadt über Jahre hinweg ihren Stempel aufdrückten: Helmut Vierke, Dieter Kittsteiner, Peter Jasierwicz, „Schwed“ Promm, Manfred Reincke, Werner Kürzinger, Horst Thielen, Walter Hertel, Werner Schmidt, Horst Rother, Franz Wokon, Claus „Wasa“ Meyer, Harald Fuchs, Günther „Bimbo“ Meyer, Thommy Schneider – das alles sind nur einige Personen, die teilweise auch heute noch aktiv sind (zumindest als Trainer oder Betreuer).

Man denkt auch an zahlreiche Akteure, die in Weißenburg den Grundstein zu ihrer Karriere gelegt haben und später bis zur Regionalliga oder 2. Bundesliga gespielt haben: Reiner „Russi“ Eisenberger etwa oder auch Werner Pfeuffer, Helmut Schmidt und Torhüter Andreas „Bimbo“ Heid. Betrachtet man die beiden Altvereine getrennt, dann kann man sicherlich feststellen, dass der einstige TSV in der Zeit nach 1950 eigentlich immer die Nummer 1 im Stadtgebiet war. Unvergessen sind die großen Landesliga-Zeiten von 1967 bis 1974, in der Saison 1985/1986 sowie letztmals von 1989 bis 1993.

1975 schaffte es der TSV Weißenburg sogar bis in die erste Hauptrunde des DFB-Pokals. Vor 2000 Zuschauern an der Jahnstraße empfing man die damalige SpVgg Fürth – ein tolles Erlebnis, an das die Weißenburger Spieler trotz der 0:5-Niederlage schöne Erinnerungen haben. Zwei Tore für das Kleeblatt erzielte damals übrigens Bernhard Bergmann. Für den TSV spielten: Jasiervicz, Arndt, Rapke, Seidel, Höhenberger, Dengler, Reindel, Kittsteiner, Helmut Schmidt, Lang, Koderer, Michel und Dollinger.

Die Weißenburger Jahnstraße – den dortigen Sportplatz gibt es inzwischen nicht mehr – war eine bekannte und nicht selten auch gefürchtete Adresse im bayerischen Fußball. Das lag auch an den Erfolgen in der Nachwuchsarbeit, wo die A-Jugend etliche Jahre in der Bayernliga spielte (zuletzt gab bekanntlich die C-Jugend ein einjähriges Gastspiel in Bayerns Eliteliga).

In die Annalen des mittelfränkischen Fußball ging der TSV Weißenburg in der Saison 1988/1989 ein: unter Trainer Manfred Wilfling wurde das Team seinerzeit Meister in der neugegründeten Bezirksoberliga und schaffte den seither letzten Landesligaaufstieg.

Beim TV 1860 pendelte man in früheren Jahren zumeist zwischen den damaligen C- und B-Klassen. Der Sprung in die einstige A-Klasse (heute Kreisliga) gelang 1976 und 1980, wo sich die Sechziger aber jeweils nur für ein oder zwei Jahre hielten. Ab der Saison 1981/82 begann der schier „unaufhörliche Niedergang unserer Fußballabteilung“, wie man in der Festschrift zum 125-jährigen Vereinsbestehen nachlesen kann. Der TV 1860 wurde wieder ganz nach unten in die C-Klasse durchgereicht und es dauerte ein paar Jahre, ehe man sich erholt hatte.

Der Aufschwung kam in Person von Werner Schmidt an den Lehenwiesenweg zurück. Der frühere Coach der TSV-Bayernliga-Jugend baute Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre bei den Sechzigern eine neue Mannschaft auf, die es dann sogar bis in die Bezirksliga schaffte. Punktuell hatte Schmidt das Team Jahr für Jahr mit Topspielern aus der Region verstärkt. Einer von ihnen war beispielsweise auch „Winnie“ Zischler, der heute die erste Herrenmannschaft des TSV 1860 trainiert.

Ehe es 1998 zur Fusion kam, präsentierten sich TV und TSV phasenweise fast auf Augenhöhe. Natürlich gab es die sportliche Rivalität, die dann aber recht schnell ad acta gelegt wurde. Dass man heute nicht mehr differenziert, liegt sicherlich auch daran, dass viele Fußballer über die Jahre hinweg in beiden Altvereinen aktiv waren. Im Jubiläumsjahr ist man jedenfalls froh, dass das Miteinander im Vordergrund steht und dass man im Sportpark Rezataue eine neue gemeinsame Heimat gefunden. Bei den Alten Herren gibt es beispielsweise auch schon eine Spielgemeinschaft mit dem FC/DJK. Aber das nur am Rande . . .