Von 16.08.2012 bis 25.08.2012 fanden in Prag die Jugendeuropameisterschaften 2012 statt. Austragungsort war ein riesiges Hotel am Rande von Prag mit über 800 Zimmern unterschiedlichster Qualität, welches für diese Meisterschaft komplett angemietet worden war. Das war auch dringend nötig. Denn am Anreisetag fielen rund 1200 Spieler und Spielerinnen (aus 46 Nationen) mit mindestens nochmals so vielen Trainern und Begleitpersonen in das Hotel ein. Ein immenser Aufwand für Hotelpersonal und Ausrichter, um alle Gäste zu ihren Zimmern bringen.

Der Ausrichter, ein tschechisches Unternehmen, welches jedes Jahr eine Tour mit mehreren großen Turnieren veranstaltet, bewältigte diesen Ansturm aufgrund seiner jahrelangen Erfahren mit derart großen Events vorbildlich. Jeder, der sich in dem Hotel aufhalten wollte, erhielt eine Akkreditierung, die auch gleichzeitig seine Berechtigungen offenbarte. Diese konnte man schon von weitem an der Farbe des Bandes erkennen, an dem die Akkreditierung um den Hals hing. Blau war die Gruppe der Organisatoren, zu denen auch die Schiedsrichter gehörten. Diese durften sich in allen Bereichen frei bewegen. Rot bedeutete Spieler. Diese durften sich nur während ihrer Partie in ihrem Spielsaal aufhalten und diesen solange nicht verlassen. Weiß waren alle anderen, also Trainer und Begleitpersonen. Diese durften sich im Spielbereich nur in den ersten zehn Minuten nach Spielbeginn aufhalten. Danach mussten sie den Spielbereich verlassen.

Foto: Gruppenbild der Schiedsrichter 2012

Die Schachabteilung war bei dieser Veranstaltung durch ihren Abteilungsleiter Thomas Strobl vertreten. Er gehörte der Gruppe der insgesamt knapp 30 Schiedsrichter an, von denen etwa die Hälfte einen internationalen Schiedsrichtertitel besaßen. Thomas Strobl erhielt als FIDE-Schiedsrichter die Leitung der Gruppe „Girls Under 8", also der jüngsten Mädchen. Dabei handelte es sich zwar um die kleinste Gruppe, aber zusammen mit den „Boys Under 8" wohl um die anspruchsvollste. Die Kinder sind noch nicht so regelfest wie die älteren Spieler. Regelwidrige Züge können daher immer mal wieder vorkommen. Werden diese vom Gegner oder vom Schiedsrichter bemerkt, müssen sie noch während der Partie korrigiert werden. Der Gegner erhält eine Zeitgutschrift und die Partie wird fortgesetzt. Pro Runde kam dies etwa fünfmal vor. Außerdem gilt der Grundsatz für die Spieler der Altersklassen U 8 und U 10, dass der letzte Blick auf das Brett dem Schiedsrichter gehört. Der Schiedsrichter kontrolliert dann das ordnungsgemäße Zustandekommen und das richtige Festhalten des Ergebnisses sowie die Unterzeichnung der Formulare durch die Spieler. Leider kann dies in diesem Alter noch nicht erwartet werden, so dass durch diese Maßnahme der ordnungsgemäße Turnierverlauf gesichert werden soll und nicht unzutreffend festgehaltene Ergebnisse den Turnierverlauf verfälschen.

Foto: Schiedsrichterduo der Gruppe Girls Under 8

Damit sind die Aufgaben des Schiedsrichters in den Gruppen der Jüngsten völlig anders als sonst gewöhnlich bei Turnieren mit Erwachsenen. Während es bei Erwachsenenturnieren in den ersten drei Stunden einer Partie eigentlich nichts zu tun gibt, hat der Schiedsrichter bei den Kindern in den ersten drei Stunden allerlei Regelverstößen (auch eingebildeten) zu tun, wie falsches Aufschreiben der Züge, falsches Bedienen der Schachuhr, Berühren von Figuren oder einfach nur Beschwerden über die Gegnerin. Manchmal wird auch einfach nur die Erlaubnis für den Gang zur Toilette eingeholt. Dafür ist der größte Teil der Partien nach drei Stunden schon beendet. Das darf natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass die vorderen Spieler für ihr Alter schon eine nicht unerhebliche Spielstärke erreichen und die meisten unserer gestandenen Kreisligaspieler wohl besiegen würden oder zumindest mit ihnen gut mithalten könnten.

Der Druck auf die Kinder war nicht gerade gering. Der ganz überwiegende Teil war nicht nur in Begleitung der Eltern, sondern hatte auch Trainer dabei. Die Kinder wurden vormittags auf ihre Gegner eingestellt und sollten später die vorgegebene Strategie umsetzen. Das konnte naturgemäß nicht bei beiden Spielern funktionieren. Dies führte dazu, dass gerade bei den Kleinsten (vor allem mit osteuropäischer Herkunft) die eine oder andere Träne vergossen wurde. Dann mussten die Schiedsrichter häufig auch Trost spenden und waren mit Süßigkeiten zur Stelle. Eltern und Betreuer mussten den Spielsaal ja nach zehn Minuten verlassen. Dies führte zu dem ungewöhnlichen Bild, dass die Flure vor den Spielsälen während der Runden brechend voll waren. Eltern und Betreuer warteten vor dem Spielsaal auf ihre Schützlinge, um sie nach der Partie sofort in Empfang nehmen zu können.

In der Gruppe „Girls Under 8" war Deutschland mit einer Spielerin aus Neumarkt in der Oberpfalz (gehört schachlich zu Mittelfranken) vertreten. Maria Schilay schlug sich für ihre Verhältnisse prächtig und belegte am Ende mit 5 von 9 möglichen Punkten den 23. Platz. Ihr Bruder Lorenz und Ruben Mantel (Nürnberg) spielten in der Gruppe „Boys Under 10" und vertraten ebenfalls den Schachbezirk Mittelfranken. Ruben erreichte mit 4,5 Punkten den 68. Platz und Lorenz mit 4 Punkten den 88. Platz. Insgesamt waren in dieser Altersgruppe 134 Spieler am Start.

Die mittelfränkische Delegation umfasste insgesamt neun Personen: drei Spieler, drei Trainer, zwei Elternteile und einen Schiedsrichter. Deutschland war mit insgesamt 22 Spielern in verschiedenen Altersklassen vertreten. Eine Medaille sprang für das deutsche Team jedoch nicht heraus. Kein Spieler und keine Spielerin konnte sich unter den besten Fünf seiner Altersklasse platzieren. Eifrigste Medaillensammler waren die Spieler und Spielerinnen aus Russland mit zehn Medaillen (5 Gold, 3 Silber, 2 Bronze). Mit 186 Teilnehmern stellte Russland auch die größte Delegation. Im Medaillenspiegel ganz vorne zu finden war auch noch Polen mit zwei Goldmedaillen, Armenien mit einer Gold- und zwei Silbermedaillen, sowie die Ukraine mit einer Gold-, einer Silber- und zwei Goldmedaillen.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Jugendeuropameisterschaft in Prag ein riesiges Erlebnis war und unser Abteilungsleiter viele neue nette Leute kennen gelernt hat. Der Einsatz bei diesem Turnier brachte ihm nicht nur die erste von vier erforderlichen Normen auf dem Weg zum höchsten Schiedsrichtertitel, den die FIDE vergibt, sondern auch vom Ausrichter die Einladung zu einem weiteren internationalen Turnier, das im nächsten Jahr wieder in Tschechien stattfindet.